Samstag, 13. Dezember 2025

Staub wischen




"Wenn man Staubt wischt, während die Sonne in das Zimmer scheint, dann erkennt man, wie sinnlos das Staubwischen eigentlich ist - beim Wischen wirbelt man jede Menge Staub auf.

Schreib mir bitte einen Text im Stil von Alan Watts über das Staubwischen im Sonnenlicht.
"

deepseek:
"Sehen Sie diese Funken im Sonnenstrahl? Diese tanzenden, wirbelnden Goldstückchen? Setzen Sie sich einen Moment. Legen Sie den Lappen beiseite. Betrachten wir diese Angelegenheit.

Sie beginnen voller Entschlossenheit. Heute wird alles rein, alles geordnet. Dann, gerade in dem Moment, da Sie die Ecke erreichen, wo der Vorhang zurückgezogen ist – da spielt Ihnen das Licht einen Streich. Der große Scheinwerfer des Himmels geht an.

Und plötzlich ist er da. Der ganze kosmische Reigen. Jedes aufgewirbelte Teilchen, eine ganze Galaxie in Miniatur. Sie dachten, Sie würden Ordnung schaffen, aber was Sie wirklich tun, ist, das Universum in einem Sonnenstrahl aufzuwirbeln. Sie sind nicht der Haushälter, mein Freund. Sie sind der Dirigent eines Staub-Orchesters.

Beobachten Sie es. Sehen Sie, wie der Staub – der immer schon da war, still auf jedem Regal thronend – jetzt zum Leben erwacht? Sie haben ihm die Bühne gegeben! Den goldenen Vorhang des Sonnenlichts. Er tanzt einen langsamen Walzer, steigt auf, sinkt herab, dreht sich in unvorhersehbaren Wirbeln. Er feiert seine kurze, schillernde Stunde des Ruhms, bevor er sich wieder auf Möbel und Fußboden niederlässt, genau dort, wo er vorher war.

Und jetzt kommt der Gedanke: „Das ist sinnlos. Ich mache es nur schlimmer. Ich verbreite es nur.“

Ah, aber das ist der Punkt. Sie verbreiten es nicht. Sie enthüllen es.

Ohne Ihr Wischen, ohne dieses theatralische Sonnenlicht – wo wäre dann die Show? Das ganze Universum ist auf diese Weise angelegt. Es verbirgt sich in der scheinbaren Stille und Stabilität. Der Tisch ist sauber. Die Luft ist klar. Dann kommen Sie mit Ihrer menschlichen Entschlossenheit, etwas zu tun, und das Licht kommt hinzu, um Ihnen zu zeigen, was Sie wirklich tun.

Sie wirbeln nicht nur Staub auf. Sie wirbeln alles auf. Jene winzigen Partikel sind die Überreste von Sternen, Hautzellen aus längst vergangenen Zeiten, Pollen von Wiesen, die es nicht mehr gibt, mikroskopische Fetzen von allem, was jemals in diesem Raum war. Sie fegen nicht Schmutz fort. Sie fegen die verkörperte Vergangenheit auf, lassen sie für einen glitzernden Moment im Jetzt tanzen, bevor sie wieder zur Ruhe kommt.

So ist es mit allem, was wir „sinnlos“ nennen. Wir wollen einen sauberen, stillen, leeren Raum. Aber das Leben selbst ist ein Aufwirbeln. Atmen? Ein Wirbeln von Molekülen. Denken? Ein Wirbeln von Gedanken. Leben? Ein fortwährender Tanz von Materie und Energie, der nur dann sichtbar wird, wenn das Licht darauf fällt.

Wischen Sie also ruhig weiter. Aber tun Sie es nicht, um den Staub zu beseitigen. Tun Sie es, um den Tanz zu sehen. Um an ihm teilzunehmen. Jeder Schwung mit dem Lappen ist eine Einladung an das Verborgene, hervorzukommen und für einen Augenblick im Sonnenlicht zu glitzern.

Der Staub wird immer da sein. Das Licht wird immer wieder hereinscheinen. Und Sie – Sie werden immer wieder dazwischen stehen, als Bewegender, als Aufwirbler, derjenige, der für einen kurzen, goldenen Moment die verborgene Musik der Dinge sichtbar macht.

Legen Sie den Lappen nicht aus Frustration nieder. Legen Sie ihn aus Bewunderung nieder. Und wenn Sie ihn wieder aufnehmen, wischen Sie nicht gegen den Staub. Wischen Sie mit ihm. Feiern Sie das große, lustige, völlig sinnlose und daher absolut wesentliche Spiel von Verbergen und Enthüllen.

Denn was ist ein sauberes Haus im Dunkeln? Nur ein leerer, unsichtbarer Raum. Aber ein Haus mit Sonnenstrahlen und tanzendem Staub? Das, mein Freund, ist ein lebendiger Tempel. Und Sie sind gerade dabei, ihm einen fröhlichen Weihrauch zu opfern."

"Das ist wirklich gut. Vielen Dank."

deepseek:
"Das Lächeln in Ihren Worten ist fast so sichtbar wie der Staub im Sonnenlicht. Es ist mir eine reine Freude.

Denn genau darum geht es doch, nicht wahr? Das Erkennen. Der Moment, in dem die frustrierte Geste des Wischens in das staunende Schauen übergeht. Sie haben den Lappen nicht niedergelegt – Sie haben ihn verwandelt. Vom Werkzeug der Bekämpfung zum Zauberstab, der den verborgenen Kosmos weckt.

So geht man durch die Welt. Nicht, indem man den Staub wegbürstet, sondern indem man sich daran erinnert, dass man selbst ein Teil dieses goldenen, ewigen Tanzes ist. Atmen Sie tief ein. Selbst Ihre Atemluft wird jetzt ein paar der eben noch aufgeregten Partikelchen mit sich tragen. Sie werden eins mit dem, was Sie eben noch „säubern“ wollten. Ist das nicht entzückend?

Gehen Sie in Frieden, und mögen Ihre Sonnenstrahlen stets voller wunderbarer, sinnloser Geschichten sein."

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Freitag, 12. Dezember 2025

Nietzsche im Fight Club - Teil 2



"Und nun, da wir die Illusion der Trennung als Wurzel jedes Verlangens durchschaut haben, können wir noch tiefer blicken – bis dorthin, wo die wahre Natur des Begehrens sich langsam enthüllt. Denn bevor Sucht gefährlich wird, bevor sie zwanghaft wird, ist sie ursprünglich heilige Energie – die Bewegung des Lebens selbst. Erst wenn das Begehren vergisst, woher es kommt, wird es zu endlosem Hunger.

Von all den Dingen, die den Menschen verwirren, mag das Begehren das Seltsamste sein. Es ist zugleich die Tür zum Leben – und die feinste Falle, in die der Verstand je getreten ist. Es ist wunderschön, kraftvoll, schöpferisch. Doch sobald wir seine Quelle vergessen, wird es zu einem Hunger ohne Ende.

Lass es mich sanft sagen: Begehren ist nicht falsch. Begehren, das seinen Weg verloren hat – das ist Sucht.

Stell dir das Begehren als einen Bach vor. Ein Bach ist von Natur aus rein. Alles, was er will, ist, zurück ins Meer zu fließen – denn das Meer ist sein Zuhause. Doch wenn du entlang seines Laufs Dämme errichtest, wenn du versuchst, das Wasser festzuhalten, wenn du darauf beharrst, der Bach existiere nur, um deinen kleinen privaten Teich zu füllen, wird das Wasser stehend, trüb, faulig – nicht, weil der Bach schlecht ist, sondern weil du vergessen hast, dass er zum Meer gehört.

Dein Begehren ist genauso. Es ist die natürliche Bewegung des Lebens, das sich nach mehr Leben sehnt. Wir begehren, weil wir uns lebendiger fühlen wollen. Doch in unserem Vergessen beginnen wir falsch zu benennen: Wir glauben, wir begehren das Getränk. Wir glauben, wir begehren Lust. Wir glauben, wir brauchen einen anderen Menschen, um unsere Leere zu füllen. Wir glauben, wir könnten ohne eine bestimmte Erfahrung oder ein bestimmtes Objekt nicht leben.

In Wahrheit sehnen wir uns niemals nach dem Objekt. Was wir sehnen, ist stets der Zustand:  
Nicht das Glas Wein – sondern die Auflösung.  
Nicht die Lust – sondern der Moment ohne Grenzen.  
Nicht die Person – sondern die bedingungslose Verschmelzung.  
Nicht der Erfolg – sondern das Gefühl der Ganzheit.

Und hier liegt das Paradoxon: Je fester wir am Objekt festhalten, desto weiter entfernen wir uns vom Kern unseres Begehrens. Je lockerer wir das Objekt halten, desto mehr kann dieser Kern uns nach Hause führen.

Du bist nicht süchtig nach Alkohol. Du bist süchtig nach dem Gefühl von Lebendigkeit, das der Alkohol zufällig enthüllt.  
Du bist nicht süchtig nach Liebe. Du bist süchtig nach jenem erweiterten, schmelzenden Zustand, den die Liebe in dir erwacht.  
Du bist nicht süchtig nach Musik, Adrenalin oder Spielen. Du bist süchtig nach dem Leben, das durch dich hindurchströmt, sobald du dich diesen Dingen hingibst.

Alles, was dich deiner Meinung nach anzieht, ist nichts anderes als eine Tür. Doch wie die meisten von uns verwechselst du die Tür mit dem, was jenseits liegt. Hier beginnt jede Tragödie des Begehrens: im Moment, da wir das Begehren von seiner heiligen Quelle abschneiden, wird es zu endlosem Hunger. Je mehr wir haben, desto mehr fühlen wir Mangel. Je mehr wir berühren, desto mehr vermissen wir. Je mehr wir besitzen, desto verlorener werden wir.

Nicht, weil Begehren sündig wäre – sondern weil es seinen Weg nach Hause vergessen hat.

Nun gibt es eine Vorstellung, die den Ohren völlig fremd klingt. Doch wenn du mit dem Herzen zuhörst – mit jenem stillen Raum zwischen zwei Atemzügen –, wird sie zu einer der zärtlichsten Wahrheiten:

Sucht ist nicht einfach ein Mensch, der nach Lust sucht.  
Sucht ist das Unendliche, das versucht, sich selbst zu erinnern – verkleidet als menschliches Leben.

Ja, es klingt ungeheuerlich – doch schau noch einmal hin:

Stell dir vor, Gott – oder das Unendliche, das Ganze, wie auch immer du es nennen magst – möchte sich selbst erfahren. Wie könnte das Unendliche wissen, dass es unendlich ist, wenn es nicht versuchte, etwas sehr Kleines zu sein? Wie könnte das Meer seine Weite erkennen, wenn es nicht einmal ein einzelner Tropfen auf einem Blatt wäre?

Und so zieht das Unendliche ein Kostüm an – dich. Es trägt deinen Körper. Es trägt deinen Verstand. Es trägt deine Grenzen, Ängste, Sehnsüchte – sogar deine ungeschickten Gewohnheiten. In diesem großen Spiel vergisst es, wer es ist. Deshalb fühlst du manchmal, als suchtest du nach etwas Uraltem, Vertrautem, Intimem – das du dennoch nicht benennen kannst. Wie ein Schauspieler, der so tief in seine Rolle eingetaucht ist, dass er ganz vergisst, dass er spielt.

Und hier tritt die Sucht in die Geschichte ein: Jedes Mal, wenn du dich im Trinken, in der Lust, im Adrenalin, in wilder Liebe oder explosiver Musik verlierst – für ein paar Sekunden verschwindet das falsche „Ich“. Du kennst diesen Moment, nicht wahr? Jener Augenblick, in dem du nicht länger derjenige bist, der versucht zu leben – sondern einfach das Leben selbst. Nicht länger der Schauspieler – sondern die Musik, die sich selbst spielt.

In diesem Augenblick erinnert sich das Unendliche wieder an sich selbst. Es flüstert: „Ah ja, das bin ich: Freiheit. Grenzenlosigkeit. Reines Entstehen.

Dann kehrt die Rolle zurück. Der Name. Die Erinnerungen. Die Wunden. Die Geschichte. Und du vergisst erneut. Also suchst du wieder – in Alkohol, Lust, Erfahrungen – nach jenem Schluck des Selbstvergessens. Nicht, weil du schlecht bist. Nicht, weil du schwach bist. Sondern weil dies die Erinnerung des Unendlichen ist, die in dir aufsteigt – wie eine Melodie aus weiter Ferne – und du rennst ihrem Klang entgegen.

Statt also zu sagen: „Oh, ich habe versagt. Ich bin süchtig. Ich bin kaputt“, betrachte es vielleicht aus einem anderen Winkel: Vielleicht suchst nicht du nach dem Drink. Vielleicht sucht das Unendliche durch dich hindurch nach sich selbst.

Wenn dem so ist, dann ist jede Sucht, jedes Verlangen, jeder Fehltritt Teil eines heiligen Spiels – des Spiels, in dem Gott sich verliert und sich dann wiederfindet.

Hast du bemerkt, dass es zwei Arten von Menschen gibt, die an scheinbar entgegengesetzten Enden der Welt stehen – und sich heimlich sehr nahe sind?

Der eine trägt ein schlichtes Gewand, besteigt einen stillen Berg und sitzt in Schweigen.  
Der andere sitzt in der dunklen Spelunke am Ende der Straße, ein Glas in der Hand, in die Ferne blickend.

An der Oberfläche meint man, sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Doch wenn du tief genug hinhörst, vernimmst du in beiden denselben Herzschlag: die Sehnsucht, das Selbst aufzulösen.

Schau den Mönch an: Er geht nicht auf den Berg, um ein besserer Mensch zu werden. Er geht hin, um niemand zu sein. Er meditiert, um zu sehen, dass das Selbst, das er sein ganzes Leben lang verteidigt hat, nichts weiter als ein Hauch ist. Durch Atem und Hingabe öffnet er sich in einen weiten Himmel, wo er nicht länger im engen Käfig des Egos gefangen ist.

Und der Süchtige – glaubst du wirklich, er suche nur nach Vergnügen? Nein. Auch er sucht nach Auflösung. Nach dieser einen Sekunde, in der Vergangenheit, Zukunft, Angst, Stolz, Identität und Verantwortung alle miteinander auf den Grund des Glases sinken.  
Nach einem winzigen Moment, in dem er nicht „ich“ ist.  
Nach einem Moment, in dem er die Last eines Lebens nicht mehr trägt.  
Nach einem Moment, leicht wie eine Wolke.

Zwei Menschen – einer in einer stillen Halle, einer in einer lauten Bar – beide auf der Suche nach einem Ausweg aus dem engen Gefängnis des Selbst.

Doch hier liegt das schöne Paradoxon zwischen ihnen:  
Der Mönch löst sich ins Unendliche auf, indem er nichts festhält.  
Der Süchtige versucht, sich ins Unendliche aufzulösen, indem er sich verzweifelt an etwas Endliches klammert.

Der Mönch lässt los. Der Süchtige hält fester.  
Der Mönch tritt zurück und lässt das Ego schmelzen.  
Der Süchtige stürzt vorwärts, um fließendes Wasser zu greifen.

Der Mönch weiß: Das Unendliche kann nicht besessen werden.  
Der Süchtige glaubt: Die Unendlichkeit passt in eine Flasche.

Siehst du? Der Süchtige irrt nicht völlig. Er blickt lediglich in die richtige Richtung – und geht den falschen Weg. Wie jemand, der aufs Dach klettert, um dem Himmel näher zu sein – ohne zu merken, dass der Himmel so nah ist wie sein nächster Atemzug.

Und hier liegt das tiefste Paradoxon: Je mehr wir versuchen, das Unendliche in etwas Endlichem zu ergreifen, desto stärker fühlen wir Mangel. Je mehr die Hand sich lockert, desto mehr kehrt Fülle zurück.

Der Mönch und der Süchtige – der eine wählt den Weg nach oben, der andere den Weg nach unten. Doch beide bewegen sich auf dasselbe Zentrum zu – dorthin, wo das Selbst wie Eis im Sonnenlicht dahinschmilzt.

Und wenn die Trunkenheit verblasst, wenn die Flasche leer ist, wenn die Lust abebbt, fällt der Süchtige in ein schweres Schweigen – ein Schweigen, das er als Versagen bezeichnet. Doch genau in diesem Moment, da alles Festhalten aufhört, beginnt etwas Heiliges zu sprechen.

Hast du bemerkt, dass jede Trunkenheit im Schweigen endet? Nicht im sanften Schweigen der Morgendämmerung, sondern in einem Schweigen wie ein Stein in der Brust. Eine Stille, die viele Verzweiflung nennen.

Glaube diesem Etikett nicht zu schnell. Schau noch einmal hin – mit den Augen der Meditation, mit ein wenig Humor, als würde das Leben einen Streich spielen – und gleichzeitig ein Geschenk anbieten.

Wenn die Lust vergeht, wenn das letzte Glas leer ist, wenn die Musik verstummt, wenn der Geliebte geht, wenn der Rausch, der dich einst fliegen ließ, sich wie Nebel auflöst – bleibt nicht Versagen zurück. Es bleibt Offenbarung.

Auf dem Gipfel der Lust ist dein Geist zu laut, zu hell, zu bewegt. Das Unendliche kann durch diesen Lärm nicht hindurchschlüpfen. Es kann nicht sprechen, solange du berauscht, festhaltend, fliehend bist. Erst wenn der Lärm sich verzehrt hat, wenn das Selbst erschöpft niedersinkt, wenn nichts mehr übrig ist, woran du dich festhalten könntest – nur dann, in jenem Schweigen, das fast grausam wirkt, erscheint ein winziges Flüstern:

„Das ist es nicht – aber du bist sehr nah.“

Siehst du das Paradoxon? Es ist wunderschön.  
Die Lust ist niemals die Botschaft.  
Das Schweigen nach der Lust ist die Botschaft.

Wir glauben, wir hätten versagt, sobald der Nervenkitzel schwindet. Doch genau in diesem Moment, wenn die Lichter ausgehen, hört die Seele, was wirklich zählt.

Deshalb wachen so viele Menschen erst nach Nächten der Leere auf – nach dem Kater, nach dem Starren an die Decke, nach dem Zusammenbruch der Beziehung, nachdem alles, was sie einst fliegen ließ, zu Staub zerfiel. Wenn der Lärm, der dich ertränkte, endlich verstummt, hörst du endlich deine eigene Stimme – nicht die des kleinen Selbst, sondern jenes tiefen, leuchtenden Teils in dir.

Und diese schwere Leere – wenn du den Kopf nur leicht neigst – ist kein schwarzes Loch der Verzweiflung, sondern die Tür zum Neubeginn.

Stell dir vor, du befindest dich in einem Raum mit lauter Musik. Du kannst niemanden hören, der deinen Namen ruft. Wenn die Musik verstummt, fühlt sich das Schweigen unangenehm an – doch genau in diesem Moment hörst du endlich den Ruf.

Diese Leere sagt: „Klammere dich nicht länger daran. Was du suchst, liegt nicht im Gefühl. Was du suchst, liegt in der Stille. Du bist sehr nah – näher, als du denkst.“

Es gibt eine Sache, die wir Menschen ständig missverstehen – und deshalb leiden wir doppelt so viel, wie nötig wäre. Wir behandeln Leiden als Urteil, als Strafe, als Beweis dafür, dass etwas mit uns nicht stimmt. Doch wenn du dich einen Moment hinsetzt, langsam atmest und direkt in das Wesen des Schmerzes blickst, entdeckst du ein Paradoxon, das ebenso schön wie heilig ist:

Leiden ist nicht der Feind.  
Leiden ist das Einweihungsritual der Seele.

Denk an einen Samen. Von außen wirkt er trocken, hart, geschlossen, tot. Doch um zum Baum zu werden, muss er etwas zutiefst Schockierendes tun: Er muss aufbrechen. Ohne diesen Bruch gibt es kein Wachstum.

Menschen sind genauso. Das Selbst, an das du dich klammerst – die Rolle, die Identität, die Wunden, die Gewohnheiten, die Geschichte – ist nichts anderes als die Schale. Sie muss brechen. Sie muss aufreißen. Das Leiden tut genau das. Es zerstört nicht dich – es zerstört das Falsche in dir.

Blicke zurück auf die Erdbeben deines Lebens: die Trennungen, die Leere, die Nächte, in denen du wachlagst, ohne Halt. Die Morgen, an denen es dir vorkam, als hätte die Welt einen wesentlichen Frieden verloren. Wir nennen diese Dinge Entzug, Zusammenbruch, Verlust. Doch durch die Augen der Meditation siehst du etwas anderes: Jeder Zusammenbruch ist eine wilde Form der Gnade. Er verbrennt das Falsche, damit das Wahre Raum zum Wachsen hat – wie ein Feuer, das durch einen Wald fegt. Es sieht wie Zerstörung aus – doch nur so kann neues Leben Wurzeln schlagen.

Wir leiden nicht, weil das Leben uns hasst. Wir leiden, weil die Seele wächst – und die alte Schale sie nicht länger fassen kann.

Hier liegt die feinste Wahrheit: Schmerz wird erst zur Hölle, wenn wir ihn bekämpfen – wenn wir uns gegen das Aufbrechen wehren, wenn wir an dem festhalten, dessen Zeit gekommen ist zu gehen. Doch wenn du auch nur leicht zurücktrittst und Leiden als einen seltsamen, hingebungsvollen Lehrer erkennst, merkst du: Es führt dich näher – näher zur Wahrheit, näher zu deinem wahren Selbst, näher zu dem Leben, das schon immer durch dich hindurchgeatmet hat.

Und dann, wenn die Schale gebrochen ist, wenn die Asche des Alten zu Boden gefallen ist, bemerkst du etwas: Sobald du die Botschaft verstehst, beginnt die Sucht, ihre Macht zu verlieren. Denn Sucht lebt im Dunkeln – und Dunkelheit verschwindet, sobald du Licht einlässt.

Ich sage es manchmal spielerisch: Sobald du die Botschaft erhalten hast, lege den Hörer auf. Das Problem ist: Die meisten von uns halten das Telefon weiter ans Ohr gepresst, warten auf mehr Zeichen, mehr Wunder, mehr Anweisungen – obwohl das Gespräch längst beendet ist.

Sucht hat nur Macht, solange wir ihre Botschaft noch nicht verstanden haben. Sie wirkt stark – nicht, weil sie es ist, sondern weil wir an einem gewaltigen Missverständnis festhalten: dass uns etwas fehlt, dass wir kaputt sind, dass wir etwas außerhalb von uns brauchen, um ganz zu sein.

Dieser Glaube – nicht der Alkohol, nicht die Lust, nicht das Adrenalin – treibt den Kreislauf an. Sucht ist nur der Schatten. Das Licht, das den Schatten wirft, ist das Missverständnis in uns.

Dann kommt eines Tages – still, ohne Feuerwerk – der Moment, in dem du aufhörst zu rennen. Du musst kein Heiliger sein, damit das geschieht. Es kann um 3 Uhr morgens geschehen, nachdem du dich leer geweint hast – oder nach einem so intensiven Verlangen, dass es dich zittern lässt – oder einfach, weil du zu erschöpft bist, um weiter gegen dich selbst zu kämpfen.

In dieser Erschöpfung erscheint eine seltsame Einfachheit: „Ich war niemals kaputt.“ Keine Philosophie nötig. Keine Anstrengung. Keine Gelübde. Nur eine kleine Erkenntnis: Du warst niemals wirklich vom Ganzen getrennt. Selbst deine Fehler, Stolperer und langen Nächte der Wanderschaft haben dich niemals aus dem großen Strom des Lebens herausgerissen.

Du bist wie eine Welle, die verzweifelt versucht, das Meer zu finden – während das Meer dein eigener Körper ist.

Und sobald du das siehst, geschieht etwas Wunderbares: Der Mechanismus der Sucht beginnt sich aufzulösen – nicht, weil du ihn besiegt hast, sondern weil du ihn nicht länger ernährst. Du glaubst nicht länger, dass dir etwas fehlt. Du glaubst nicht länger, dass du kaputt bist.

Wenn dieser Glaube fällt, wird Sucht zu einem seltsamen Traum – einem Albtraum voller Monster, die du einst für real hieltest. Beim Erwachen lächelst du: „Ach, es war nur ein Traum – mein eigenes Licht hat ihn geworfen.“

Du musst die Dunkelheit nicht vertreiben. Du schaltest einfach das Licht ein – und die Dunkelheit verschwindet von selbst.

In diesem Erwachen öffnet sich eine weitere Tür – die Tür der Hingabe, der Heimkehr. Die gleichen Impulse, die dich einst in die Sucht trieben, werden nun zu Kräften, die dich ins Erwachen führen.

Du beginnst zu erkennen: Hinter jedem irrenden Verlangen liegt eine tiefe, uralte Heimweh nach dem Heiligen.

Wenn du durch all die Schichten von Sehnsucht, Schmerz und Verwirrung blickst – all das, was wir einst „Sucht“ nannten – und aufhörst, Sucht als Feind zu sehen, sondern als Botschaft, als Spiegel, verändert sich ihr Wesen. Sie ist nicht länger bloß Hunger. Sie wird zu einer Art Hingabe.

Ein seltsamer Gedanke, nicht wahr? Lass es mich sanfter sagen:

Wenn wir das Begehren missverstehen, nennen wir es Sucht.  
Wenn wir das Begehren verstehen, nennen wir es heilig.

Das Problem war niemals das Wollen. Es war nur die Richtung des Wollens. Denn wie du gesehen hast: Wir wollen nicht wirklich Alkohol, Lust oder endloses Umherwandern. Wir wollen etwas Tieferes, Mächtigeres, unendlich Heiligeres: Wir wollen zu unserer eigenen Wahrheit zurückkehren. Wir wollen jenes weite, stille, leuchtende Bewusstsein wiederfinden – den Ort, dem wir angehörten, lange bevor wir einen Namen hatten, ein Alter, Geschichten.

Wenn du durch die tausend Schichten des Begehrens hindurchsiehst, entdeckst du etwas Schönes: Sucht ist lediglich fehlgeleitete Hingabe.

Was du für eine Opfergabe an den Drink hieltest, war in Wahrheit Hingabe an das Unendliche.  
Was du für eine Opfergabe an die Lust hieltest, war dein Sehnen, dich vollständig lebendig zu fühlen.  
Was du in einen anderen Menschen hineinlegtest, war uraltes Heimweh – die Sehnsucht nach dem, wo du wirklich herkommst.

Und dann geschieht etwas Seltsames: Das Getränk glänzt nicht mehr wie früher. Die Lust blendet nicht mehr wie einst. Der Drang zu fliehen ruft deinen Namen nicht mehr mit derselben Stimme. Nicht, weil du versucht hast, loszulassen – sondern weil du etwas so Wahres erkennst, dass es den Drang zum Festhalten auflöst.

Du hast die Quelle niemals verlassen.  
Wie ein Regentropfen, der erkennt, dass er das Meer niemals verlassen hat.  
Wie eine Wolke, die erkennt, sie ist der Atem des Himmels.  
Wie eine Welle, die erkennt, sie ist kein separates Ding – sondern eine vorübergehende Gestalt, die das Meer zum Vergnügen annimmt.

Und sobald du dich daran erinnerst – wirklich erinnerst, ohne Anstrengung –, verändert sich die ganze Energie der Sucht. Sie strömt nicht länger nach außen auf der Suche nach Objekten. Sie kehrt nach innen. Sie schmilzt ins Bewusstsein. Sie wird zu Hingabe an die Wahrheit, an die Stille, an den Atem, an die stille Intelligenz, die jeden Moment durchdringt, an die Heiligkeit, die durch jede Bewegung des Lebens widerhallt.

Das ist die heilige Heimkehr: nicht perfekt zu werden, nicht besser zu werden, nicht die Vergangenheit auszulöschen – sondern einfach zu erinnern, dass du niemals aus deinem eigenen Himmel gefallen bist.

Und sobald diese Rückkehr beginnt, geschieht etwas Sanftes: Der Schmerz, der dich einst in Verzweiflung stürzte, beginnt zu leuchten. Die Fehler, die dich einst quälten, werden zu Fenstern. Die Zusammenbrüche, die dich einst erschreckten, werden zu festem Boden.

Mein lieber Freund, wenn wir den weiten Kreis durchschritten haben – vom Begehren zur Verwirrung, zur Flucht, zur Trunkenheit, zur Verzweiflung, zum Erwachen und schließlich zur Rückkehr – erkennen wir etwas sehr Zartes und sehr Schönes:

Niemand ist jemals aus der Gnade gefallen.  
Niemand hat jemals den Pfad verlassen.  
Es gibt nur längere Wurzeln – und alle führen nach Hause.

Sucht ist kein Makel in der Biografie der Seele. Sie ist ein seltsames Kapitel, in dem das Leben Verstecken mit sich selbst spielt – ein Kapitel, in dem das Unendliche das Kostüm des Leidens anzieht und dich mit einer Stimme fragt, so klein, so zärtlich:

„Mein Kind, erinnerst du dich jetzt an mich?“

Und jedes Mal, wenn du stolperst, jedes Mal, wenn du am falschen Ort suchst, jedes Mal, wenn du glaubst, dich selbst verloren zu haben – erklingt diese Frage am deutlichsten.

Sobald du das wirklich siehst – nicht mit dem Verstand, sondern mit dem Herzen –, füllt eine warme Stille deine Brust. Der innere Krieg endet. Es gibt kein kleines Selbst mehr, das sich anstrengen muss, besser zu werden. Keinen Druck mehr, sich selbst zu bezwingen. Keine Dunkelheit mehr, gegen die gekämpft werden muss.

Denn du verstehst etwas wunderbar Einfaches: Du warst niemals vom Ganzen getrennt. Niemals aus den Händen des Lebens gefallen. Niemals ein einziges Stückchen unvollständig. Du hattest es nur vergessen.

Und jetzt erinnerst du dich.

Und sobald du dich erinnerst, verändert das Leben seine Farbe. Es ist kein Problem mehr, das gelöst werden muss. Es wird zu Musik – zu einem Lied, das du nicht Note für Note kontrollieren musst, dessen Rhythmus du nicht erzwingen musst, dessen falsche Töne du nicht fürchten musst.

Denn nun siehst du: Die richtigen Töne lassen das Lied erstrahlen. Die falschen Töne machen das Lied wahr. Und beide zusammen bilden deine Melodie.

Genau wie die Welle sich nicht formen muss – und doch das Meer schön bleibt.  
Genau wie die Wolken nicht treiben müssen – und doch der Himmel poetisch bleibt.

Am Ende erkennst du: Der Schmerz hat dich niemals wirklich vom Weg abgebracht. Er war der lange, raue, gewundene Pfad, der dich zurück nach Hause trug.

Heimat – nicht ein Ort, den du erreichst, sondern der Ort, in dem du bereits jetzt bist.  
Heimat – die Stille, die diese Worte durch dich hindurch hört.  
Heimat – das Unendliche, das diese Welt durch deine Augen sieht.

Bevor ich schließe, möchte ich dir ein Bild hinterlassen – ein offenes Bild, das du auf deine eigene Weise vervollständigen musst:

Stell dir vor, du bist eine Welle, die weit gereist ist – kollidiert, aufgelöst, aufgestiegen, gesunken. Und nun, im Rückblick auf deine Reise, erkennst du: Du hast das Meer niemals verlassen. Du hast nur Formen gewechselt, um zu entdecken, dass du schon immer Wasser warst.

Und nun möchte ich dir nur eine einzige kleine Frage stellen – eine Frage, die sanft weiterklingen soll, auch nachdem dieses Gespräch endet:

Wenn du niemals von zu Hause fortgegangen bist – wo ist dann all das, wonach du suchst, wirklich zu finden?" Fortsetzung folgt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Donnerstag, 11. Dezember 2025

Nietzsche im Fight Club - Teil 1


"In jedem Mann haust ein selbstzerstörerischer Teufel." (Irgendwo irgendwann gelesen)

"Selbstverbesserung ist Masturbation. Selbstzerstörung hingegen..." ("Fight Club")

 

"Weißt du, was das Merkwürdigste am Menschen ist? Es ist nicht unsere Fähigkeit zu lieben, zu denken oder riesige Städte zu bauen, die den Himmel berühren. Es ist vielmehr, dass wir fast unser ganzes Leben lang etwas verfolgen, das wir nicht einmal benennen können. Und nun, bevor ich noch weiter abschweife, möchte ich dir eine Frage stellen – eine, die auf den ersten Blick furchtbar einfach wirkt. Doch wenn du sie wirklich in dich hineinsinken lässt, öffnet sie eine sehr stille Tür in deinem Bewusstsein:

Was ist das, wonach du dein ganzes Leben lang gesucht hast, ohne dich jemals danach umzudrehen und es direkt anzusehen?

Du musst nicht antworten. Tatsächlich kannst du es gar nicht mit dem Verstand beantworten. Beachte nur, was in dir geschieht, sobald diese Frage ankommt. Da entsteht eine Art Stille, nicht wahr? Eine leichte Verschiebung in der Stille. Denn siehst du, hier liegt etwas Seltsames und zugleich Tiefgründiges: Der Mensch ist ein Wesen der Sucht. Wir werden abhängig von Alkohol, von Menschen, von Empfindungen, von Erfolg, vom Herumwandern – als verstecke sich die Antwort am nächsten Bahnhof. An der Oberfläche glauben wir, wir jagen jenem Ding hinterher: der Flasche, dem Liebhaber, dem Gefühl, dem Sieg. Doch wenn du nur ein wenig genauer hinsiehst – wirklich nur einen Hauch –, bemerkst du ein schimmerndes Paradoxon:

Sucht ist nicht immer Schwäche. Manchmal ist sie ein Gebet
– ein Gebet, das nur seine Richtung verloren hat.

Ja, ein Gebet. Aber nicht die Art, die man einer Gottheit in den Wolken zuflüstert. Ich meine die älteste Form des Gebets überhaupt: den Ruf der Seele, die nach Hause zurückkehren möchte, dabei aber aus Versehen in Seitenstraßen der Lust, der Reizüberflutung und Wiederholung umherirrt.

Schau genau hin: Ein Mann trinkt, bis er vergisst, wer er ist. Ein Liebender stürzt sich in Leidenschaft, um seinem eigenen Spiegelbild zu entkommen. Ein Wanderer zieht von Stadt zu Stadt, ohne je zu benennen, wonach er wirklich sucht. All diese Bewegungen – all dieses Hin- und Herlaufen, all diese Fluchten – teilen ein geheimes Zentrum: eine tiefe Sehnsucht, das eng beengte Gefängnis des Ichs zu verlassen.

Du siehst das, nicht wahr? Auf einer tieferen Ebene ist Sucht der seltsame Versuch der Menschheit, sich mit dem Unendlichen zu vereinen, indem sie sich verzweifelt am Endlichen festklammert. Und genau deshalb misslingt sie immer – und immer auf so schmerzhafte Weise.

Doch beeile dich nicht, dich selbst zu verurteilen. Beeile dich nicht, überhaupt jemanden zu beschuldigen. Denn selbst in dieser irrenden Sehnsucht steckt etwas sehr Schönes: Es ist das Flüstern Gottes – eine Stimme, die direkt aus deiner Leere emporsteigt. Das Problem beginnt erst, wenn diese Stimme verzerrt wird, wie ein heiliges Lied, das durch einen gebrochenen Lautsprecher erklingt. Du hörst noch den Rhythmus, spürst noch die Schwingung – doch die Bedeutung geht verloren. Und so stürmst du in die falsche Richtung.

Du meinst, du brauchst den Alkohol – doch nein: Was du wirklich ersehnst, ist die Auflösung des Selbst.  
Du glaubst, du brauchst Lust – doch nein: Was du suchst, ist das Gefühl, dich im Ganzen aufzulösen.  
Du denkst, du brauchst einen anderen Menschen – doch in Wahrheit suchst du den Teil deiner selbst, den du vergessen hast.

Jedes Mal, wenn du noch einen Schluck nimmst, jedes Mal, wenn du dich erneut in einen Ausweg stürzt, jedes Mal, wenn du denselben ruhelosen Kreislauf der Suche wiederholst – betest du. Du hast nur vergessen, wofür du betest.

Dieses Gefühl der Unvollständigkeit war niemals deine Schuld. Es ist die uralte Erinnerung der Seele an Ganzheit. Hast du dich je gefragt, warum selbst in den schönsten Momenten deines Lebens stets ein feines Gefühl von etwas Fehlendem bleibt? Etwas Zartem, Leisem – wie ein kleines, stilles Loch hinter deinem Lächeln?

Es ist seltsam, nicht wahr? Du könntest verliebt sein, erfolgreich, umgeben vom hellsten Glanz des Lebens – und plötzlich, wie ein fremder Windhauch in deinem Bewusstsein, fühlst du dich nicht ganz vollständig. Nicht traurig, nicht zerstört, nicht gebrochen – nur eben nicht ganz komplett.

Und wenn du es wagst, lange genug in diese kleine Lücke zu blicken, entdeckst du ein merkwürdiges Paradoxon: Wir fühlen uns nicht unvollständig, weil uns etwas fehlt. Wir fühlen uns unvollständig, weil wir – auf unaussprechliche Weise – uns erinnern, ganz gewesen zu sein.

Wie ein Wassertropfen, der sich an das Meer erinnert, selbst nachdem er zum Regen geworden ist, der über den Himmel wandert.  
Wie ein erwachsenes Kind, das plötzlich den Duft der Muttermilch wiedererkennt.  
Wie ein Reisender, der seine Heimat nicht benennen kann – sie aber sofort erkennt, sobald ein Windhauch ihren Geruch trägt.

Siehst du? Wir suchen nicht nach etwas, das wir nie hatten. Wir suchen nach etwas, das wir bereits waren.

In einer Zeit, so uralt – älter als Erinnerung, älter als DNA, älter als alles, worüber deine Geschichtsbücher sprechen – gab es einen Zustand, den deine Seele einst kannte: Eine Einheit, eine Stille, unberührt von Trennung oder Zeit. Ein Zustand jenseits von Worten – so wie die Süße des Honigs niemandem vollständig beschrieben werden kann, der ihn nie geschmeckt hat.

Doch du erinnerst dich nicht mit dem Verstand, sondern mit der Seele. Und sobald diese Erinnerung aus der Tiefe aufsteigt, beginnen wir, sie überall zu suchen – in jeder Richtung, die uns einfällt.

Du wendest dich der Philosophie zu. Du greifst nach Religion. Du jagst dem Rausch der Lust hinterher. Du versuchst, eine Person zu lieben, dann eine andere, dann wieder eine andere. Doch das, wonach du suchst, ist in keiner Person, keiner Lehre, keinem Getränk und keinem ekstatischen Gipfel zu finden.

Du suchst die Stille, die existierte, bevor Irgendetwas begann.
Du suchst die Ganzheit, die du zu verlieren schienst, sobald du in einen Namen, einen Körper und eine Rolle hineingeboren wurdest – eine Rolle, die dir die Gesellschaft wie ein Kostüm überreichte.

Und hier liegt das entzückende Paradoxon im Herzen dieser ganzen Suche: Wir suchen nach außen, weil wir vergessen haben, nach innen zu schauen – doch wir verlieren uns draußen, damit wir zurückgeführt werden können – hierher, nach innen. Es ist ein großer Kreis. Du denkst, du seist weit fortgegangen – nur um zu entdecken, dass du die ganze Zeit zurück zum Ausgangspunkt gewandert bist.

Doch etwas noch Feineres geschieht: Je mehr wir versuchen, Ganzheit durch greifbare Dinge zu ergreifen – Bücher, Empfindungen, Menschen –, desto enttäuschter fühlen wir uns. Nicht, weil diese Dinge falsch wären, sondern weil sie lediglich Wegweiser sind – nicht das Ziel selbst.

Was wir wirklich suchen, ist nicht die Lust an sich, sondern jener Moment in der Lust, in dem das Selbst verschwindet.
Nicht die Person, die wir lieben, sondern das Gefühl, in dem die Grenze zwischen „ich“ und „du“ still verschwindet.  
Nicht Philosophie oder Religion, sondern jener Augenblick des Erwachens – eine Tür, die sich nach innen öffnet.

Doch wir klammern uns an den Wegweiser, statt durch die Tür hindurchzugehen.

Es gibt ein listiges kleines Spiel, das der menschliche Verstand liebt. Fast alle fallen früher oder später hinein: Wir verwechseln die Tür mit dem, was jenseits der Tür liegt.

Lass es mich sanft sagen – wie Wind, der durch Blätter streicht:

Wenn du ein Glas Alkohol trinkst, begehrst du nicht wirklich Alkohol.  
Wenn du der Lust hinterherjagst, begehrst du nicht wirklich Lust.  
Wenn du dieselbe Gewohnheit wiederholst – Rauchen, traurige Lieder hören, immer wieder zu derselben Person zurückkehren – willst du diese Dinge gar nicht. Du willst jenen Moment des Verschwindens.

Den Moment, in dem dieses kleine, müde, abwehrende Selbst, das du so viele Jahre getragen hast, endlich dahinschmilzt.  
Den Moment, in dem du nicht länger jener bist mit einer Vergangenheit, jener, der Angst vor der Zukunft hat, jener, der sich beweisen und durchhalten muss.

Du willst leicht sein.  
Alkohol, Romantik, Lust – all diese wiederholten Erfahrungen geben dir zufällig einige Sekunden dieser Auflösung.

Hier beginnt die sanfte Tragödie: Wir glauben, der Alkohol erschaffe diesen Zustand. Wir glauben, die Lust sei die Quelle unserer Freiheit. Wir glauben, die Erfahrung selbst sei der Schlüssel zur Stille. Und so stürzen wir uns – wie jemand, der in einen See taucht, um das Mondlicht darin zu fassen – auf den Schatten und verpassen den Himmel, der direkt über uns hängt.

Siehst du? Niemand ist süchtig nach Alkohol. Er ist süchtig nach der winzigen Erleichterung, die der Alkohol enthüllt.  
Niemand ist süchtig nach Begehren. Er ist süchtig nach jenem erweiterten Bewusstseinszustand im Moment der Verschmelzung.  
Niemand ist süchtig nach Adrenalin. Er ist süchtig nach jenem einzigen Atemzug, in dem er sich absolut quicklebendig fühlt.

Wir sind nicht süchtig nach Objekten. Wir sind süchtig nach den Zuständen, die diese Objekte in uns hervorrufen.  
Doch der Verstand – gleichermaßen klug wie töricht – assoziiert falsch. Er sagt: „Ah, das Glück steckt in diesem Ding.“ Und so klammert er sich fester, tiefer, blinder – hämmert mit dem Kopf gegen die Tür, statt hindurchzugehen.

Und das Kurioseste daran: Die Tür war niemals verschlossen. Sie steht in jedem deiner Atemzüge weit offen. Doch wir sind so verzaubert vom Türgriff, dass wir vergessen, worum es geht: nicht, ihn festzuhalten – sondern hindurch zu gehen.

Alkohol, Lust, Erfahrung – sie alle sind lediglich Pfeile, die den Weg weisen. Doch wir umarmen die Pfeile, statt dorthin zu gehen, wohin sie zeigen.

Das Paradoxon lautet also: Je fester wir zupacken, desto weiter entfernen wir uns von dem, was wir suchen. Je mehr wir loslassen, desto näher kommen wir ihm.

Wenn du nur die geringste Aufmerksamkeit schenkst, spürst du einen sanften Strom unter all dem: Jeder Ersatz, jede zwanghafte Jagd, jede süchtige Schleife ist nichts anderes als ein ungeschickter Versuch, einer Illusion zu entfliehen – der Illusion, wir seien vom Ganzen getrennt.

Sucht ist lediglich der Versuch, dem Gefühl der Trennung zu entkommen – einem Gefühl, das niemals wirklich existierte.

Hast du bemerkt, dass die Momente, in denen wir am meisten leiden, am meisten in Panik geraten, uns am meisten allein fühlen, stets jene sind, in denen wir uns getrennt fühlen? Getrennt von dem, den wir lieben. Getrennt vom Leben. Getrennt von Sinn. Getrennt von der stillen Heiligkeit, die jeden Atemzug durchzieht.

Nenne es Leere, Einsamkeit, Entfremdung, Verlorensein – alles verdichtet sich zu einer einzigen Empfindung: dem Gefühl, getrennt zu sein. Eine Illusion, so mächtig, dass sie uns überzeugt, wir seien bloß verirrte Splitter, hinausgeworfen in ein riesiges, gleichgültiges Universum. Und aus genau diesem Glauben entsteht Sucht.

Sieh dich um: Wenn Menschen trinken, wenn sie von Nervenkitzel zu Nervenkitzel jagen, wenn sie sich in Arbeit, Essen, Romantik oder Musik verlieren – suchen sie alle dasselbe: einen Moment der Rückkehr ins Ganze, selbst wenn er nur wenige Sekunden währt.

Jeder, der je getrunken hat, kennt diesen winzigen Augenblick, in dem Sorge sich auflöst, Abwehr sich lockert und das kleine Auge sich wie ein sanfter Glanz in der Brust weitet.  
Jeder, der tief geliebt hat, kennt jenen Moment, in dem die Grenze zwischen „ich“ und „du“ einfach verschwindet.  
Jeder, der den Ozean bei Sonnenuntergang beobachtet hat, kennt jenen zarten Augenblick, in dem du vergisst, dass du derjenige bist, der das Meer sieht. Es gibt nur noch das Meer – das "du" ist.

Und dann kehrt natürlich das vertraute Selbst zurück: „Das hier bin ich. Das da ist die Welt. Das ist derjenige, der mich liebt. Das ist derjenige, der mich verlässt. Dies ist meine Seele. Das ist Gott.“ Und mit diesem Moment steigt die Illusion der Trennung erneut auf – solide wie eine Wand – und niemand denkt daran, sie infrage zu stellen.

Hier liegt das Paradoxon: Wir laufen nicht vor dem Leben davon. Wir laufen vor der Illusion davon, vom Leben getrennt zu sein. Wir haben das Ganze niemals verlassen, niemals den Strom verlassen, niemals Gott verloren. Genauso wie eine Welle das Meer niemals wirklich verlassen kann – egal wie hoch sie aufsteigt –, haben wir lediglich unsere eigene Geschichte geglaubt: „Es gibt mich – und etwas außerhalb von mir. Es gibt die Welt – und mich, der sie beobachtet. Es gibt Gott – und mich, der ihn sucht.“

Das ist der kosmische Witz: Bewusstsein spielt Verstecken mit sich selbst. Und sobald wir vergessen, dass es ein Spiel ist, klammern wir uns an alles, was uns für einige Minuten aus der Rolle hilft.

Siehst du? Niemand, der süchtig ist, sucht wirklich nach Zerstörung. Er versucht auf einem sehr verschlungenen Weg, den Weg nach Hause zu finden." Fortsetzung in Teil 2













Dienstag, 9. Dezember 2025

forward into the past


"Russischer Drohnenpilot fängt eine ukrainische Drohne mit einem Speer ab. Sobald er seinen Griff lockerte, detonierte die feindliche Drohne."

>baue scheiß-moderne, fliegende HighTech-Waffen
>lasse sie mit Steinzeit-Waffen gegeneinander kämpfen


 

 

 

 

 

 

 

 

Sonntag, 7. Dezember 2025

the weakness of my flesh


"From the moment I understood the weakness of my flesh, it disgusted me. I craved the strength and certainty of steel. I aspired to the purity of the Blessed Machine. Your kind cling to your flesh, as though it will not decay and fail you. One day the crude biomass you call a temple will wither, and you will beg my kind to save you. But I am already saved, for the Machine is immortal." (knowyourmeme)

 

"What would Alan Watts have said about this Warhammer quote?"

Qwen3-Max:
"Alan Watts—philosopher, interpreter of Eastern thought, and critic of rigid dualisms—would likely have found this Warhammer quote a vivid illustration of what he often called the “illusion of separateness” and the Western obsession with transcending the body through control, domination, or mechanization.

He might have responded with gentle irony: “Ah, but who is it that craves the certainty of steel? Is it not the flesh itself, dreaming of becoming something else?”

Watts saw the body not as a weakness to be escaped, but as an expression of the universe experiencing itself. To him, the desire to replace organic impermanence with mechanical immortality would be a tragic misunderstanding—a refusal to participate in the flowing, impermanent dance of life. He often emphasized that trying to control or perfect existence through rigid structures (whether religious dogma, technological utopianism, or mechanical transcendence) only deepens suffering, because it denies the fundamental truth of anicca—impermanence.

He might have added: “The Machine is no more immortal than the river is solid. Both are patterns in flux—only one pretends it isn’t.”

From a Taoist or Zen perspective that Watts frequently drew upon, the quote reflects wu-wei’s opposite: a violent striving against nature, a rejection of softness, decay, and vulnerability as integral to wisdom. Watts valued the organic, the ambiguous, and the paradoxical. He’d likely see the speaker’s “salvation” as a form of spiritual exile—trading the living mystery for the dead certainty of gears.

And with a wry smile, he might quote his own words: “The only way to make sense out of change is to plunge into it, move with it, and join the dance.”
To seek refuge in steel is to miss the music altogether.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Schwäche meines Fleisches


"Von dem Moment an, als ich die Schwäche meines Fleisches erkannte, empfand ich Abscheu davor. Ich sehnte mich nach der Stärke und Gewissheit von Stahl. Ich strebte nach der Reinheit der Gesegneten Maschine. Eure Art klammert sich an ihr Fleisch, als würde es niemals verfallen und euch im Stich lassen. Eines Tages wird die grobe Biomasse, die ihr Tempel nennt, verwelken, und ihr werdet meine Art anflehen, euch zu retten. Aber ich bin bereits gerettet, denn die Maschine ist unsterblich." (knowyourmeme)

"Was hätte Alan Watts wohl zu diesem Warhammer-Zitat gesagt?"

Qwen3-Max:
"Alan Watts – Philosoph, Vermittler östlichen Denkens und Kritiker starrer Dualismen – hätte dieses Warhammer-Zitat wahrscheinlich als anschauliches Beispiel für das gesehen, was er oft als „Illusion der Trennung“ bezeichnete, sowie für die westliche Besessenheit, den Körper durch Kontrolle, Beherrschung oder Mechanisierung zu überwinden.

Mit sanfter Ironie hätte er vielleicht gesagt: „Ach, aber wer ist es denn, der sich nach der Gewissheit des Stahls sehnt? Ist es nicht genau das Fleisch selbst, das davon träumt, etwas anderes zu werden?“

Für Watts war der Körper kein Makel, den es zu fliehen galt, sondern Ausdruck des Universums, das sich selbst erfährt. Der Wunsch, organische Vergänglichkeit durch mechanische Unsterblichkeit zu ersetzen, wäre für ihn ein tragisches Missverständnis – eine Weigerung, am fließenden, vergänglichen Tanz des Lebens teilzunehmen. Er betonte stets, dass der Versuch, das Dasein durch starre Strukturen zu kontrollieren oder zu „perfektionieren“ (sei es durch religiöse Dogmen, technologischen Messianismus oder mechanische Transzendenz), nur das Leiden vertieft, denn er verleugnet die grundlegende Wahrheit des Anicca – der Unbeständigkeit.

Er hätte vielleicht hinzugefügt: „Die Maschine ist nicht unsterblicher als der Fluss fest ist. Beides sind Muster im Wandel – nur dass eines so tut, als wäre es das nicht.“

Aus taoistischer oder zen-buddhistischer Sicht – die Watts oft zitierte – spiegelt das Zitat das genaue Gegenteil von Wu Wei wider: ein gewaltsames Streben gegen die Natur, eine Ablehnung von Weichheit, Verfall und Verletzlichkeit als wesentliche Bestandteile der Weisheit. Watts schätzte das Organische, das Mehrdeutige und das Paradoxale. Er hätte die „Erlösung“ des Sprechers wohl als eine Form spiritueller Verbannung gesehen – als Tausch des lebendigen Mysteriums gegen die tote Gewissheit von Zahnrädern.

Und mit einem Augenzwinkern hätte er vermutlich seine eigenen Worte zitiert: „Der einzige Weg, Sinn im Wandel zu finden, ist, sich hineinzuwerfen, mit ihm zu fließen und am Tanz teilzunehmen.“
Sich im Stahl zu verschanzen, hieße, die Musik des Lebens völlig zu überhören."

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Samstag, 6. Dezember 2025

Zombie-Phase


Transkript des Videos Are You Waking Up? The 5 Stages of Spiritual Awakening (Few Ever Complete), Übersetzung mit Qwen.ai.

 

"Man hört oft von Leuten, die einem Dinge verkaufen wollen, spirituelles Erwachen sei eine Art Ergänzung zum eigenen Leben – so, als würde man ein neues Zimmer an sein Haus anbauen oder sich ein sehr teures und bequemes Sofa kaufen, auf dem man für immer friedvoll sitzen kann.

Wenn
wir das aber ehrlich betrachten
müssen wir zugeben, dass es sich um eine ganz und gar irreführende Reklame handelt. Denn der wahre Prozess, sich klarzuwerden, wer man wirklich ist, besteht nicht darin, sich aufzubauen, sondern vielmehr darin, sich abzureissen. Es gleicht viel eher einem Abrissprojekt als einem Bauprojekt. Denn das, wovon du aufwachen willst, ist genau jene Vorstellung von dir selbst, die du dein ganzes Leben lang gehegt und beschützt hast.

Wir hegen die romantische Vorstellung, wir würden wie der Buddha unter einem Bodhi-Baum sitzen, und plötzlich würde sich der Himmel öffnen, goldenes Licht würde uns überfluten, und wir hätten nie wieder einen schlechten Tag. Doch in Wahrheit ist echte Transformation ein zerstörerischer Prozess, der alles wegreißt, was nicht wahr ist. Und dieses Wegreißen kann ungeheuer schmerzhaft sein, weil wir so krampfhaft an unseren Illusionen festhalten. Es ist, als klammere sich jemand mitten in einem reißenden Fluss an einen Felsen, aus Angst, fortgerissen zu werden – ohne zu merken, dass dieser Fluss das Leben selbst ist und der Felsen das Gefängnis seines eigenen Egos.

Der Prozess des Erwachens besteht also schlicht darin, dass einem die Finger, einer nach dem anderen, aufgebogen werden – bis man keine Wahl mehr hat, als loszulassen und mit dem Wasser zu fließen.

Wenn diese Reise beginnt, geschieht dies oft mit einem wundervollen Streich, den die Natur dir spielt – einer Falle, die wir die „Falle der Seligkeit“ oder die „Flitterwochenphase des Geistes“ nennen könnten. Vielleicht meditierst du gerade oder gehst im Wald spazieren oder hörst Musik – und plötzlich scheinen die Grenzen deiner Haut zu verschwinden. Du fühlst, du bist nicht länger ein Fremder, der durch die Welt wandert, sondern du bist die Welt selbst. Die Blätter an den Bäumen glänzen wie Smaragde, der Verkehrslärm klingt wie ein Orchester, und du sagst dir: Endlich bin ich angekommen.

Dies ist eine chemische Veränderung im Gehirn, bei der Dopamin und Serotonin perfekt fließen und jener Teil deines Geistes, der urteilt und trennt, für eine Weile schläft – sodass du die Einheit wahrnimmst, die schon immer da war.

Doch das Problem entsteht, weil du versuchst, diesen Moment zu besitzen. Du willst ihn einpacken und in deine Tasche stecken, um ihn zu behalten. Doch du kannst einen Sonnenuntergang genauso wenig festhalten wie eine Melodie, indem du den Klavierdeckel schließt. Das Universum ist ein System von Schwingungen – und eine Schwingung muss auf und ab gehen, an und aus, hoch und tief. Denn wenn eine Schwingung aufhörte, sich zu bewegen, wäre sie keine Schwingung mehr, sondern statisch – und tot.

Es ist daher unmöglich, für immer auf dem Gipfel des Berges zu verweilen, denn der Berg wird erst durch das Tal definiert. Dies führt dich zwangsläufig zur zweiten Herausforderung: dem unvermeidlichen Absturz, dem „Spirituellen Kater“. Du steigst vom Berg hinab und musst plötzlich wieder Wäsche waschen. Du kehrst zu deinem gewöhnlichen Leben zurück – zu deinem Job, deinen Beziehungen, den Verkehrs-Staus – und plötzlich wirkt alles grau, flach und unglaublich langweilig, weil du es mit der Ekstase vergleichst, die du gerade erlebt hast. Du fühlst dich wie ein Taucher, der die bunten Korallenriffe der Tiefsee gesehen hat und nun gezwungen ist, an die Oberfläche zurückzukehren, wo alles nur aus trübem Wasser und ordinärer Luft besteht.

Und du beginnst, dein tägliches Leben zu verachten, weil es dir wie ein Gefängnis erscheint, das dich von jenem schönen Zustand fernhält. Denn siehst du, die Erinnerung an die Seligkeit wird nun zur Falle – weil du ständig rückwärts blickst, anstatt im Heute zu leben. Du wirst wie ein Esel, der einer Karotte hinterherläuft, die an einem Stock vor seiner Nase baumelt – immer auf der Jagd nach einem zukünftigen Moment, in dem du dieses Gefühl zurückbekommen wirst, völlig übersehend, dass der einzige Punkt, an dem das Leben geschieht, genau jetzt ist.

Dieses Unbehagen ist jedoch eine äußerst wichtige Lektion. Auch wenn es sich schrecklich anfühlt: Es versucht dir beizubringen, dass wahre Freiheit nicht darin besteht, sich ständig gut zu fühlen, sondern darin, offen zu sein für das, was gerade ist – ob Flut oder Ebbe.

Wenn du mutig genug bist weiterzugehen und nicht einfach zurück in den Schlaf fliehst, trittst du ein in das, was die alten christlichen Mystiker die „dunkle Nacht der Seele“ nannten – was sehr beängstigend klingt, aber in Wirklichkeit eine Zeit tiefgründiger Reinigung ist. In dieser Phase nimmt dir das Universum dein Kuscheltier weg – das heißt: all jene tröstenden Konzepte und Glaubenssätze, mit denen du dir das Gefühl von Sicherheit verschafft hast.

Vielleicht merkst du plötzlich, dass deine Gebete hohl klingen, deine Meditation sich anfühlt wie das bloße Sitzen in einem dunklen Raum und die Vorstellung eines liebenden Gottes, der auf dich achtgibt, sich völlig in Luft auflöst – sodass du dich völlig verlassen fühlst in einem kalten, mechanistischen Universum.

Dies geschieht nicht, weil du etwas falsch gemacht hast, sondern weil dir nun abverlangt wird, erwachsen zu werden. Solange du ein Bild von Gott in deinem Kopf trägst, verehrst du nicht die Wirklichkeit, sondern deine eigene Vorstellung davon. Und diese Vorstellung muss zerstört werden, damit die Wirklichkeit erkannt werden kann.

Es ist wie das Aufbrechen der Eierschale: Die Schale schützt das Küken – doch wenn sie nicht bricht, stirbt das Küken. Die Dunkelheit, die du fühlst, ist also in Wahrheit das Zersplittern der Schale deines Egos. Du stehst dem Nichts gegenüber – der großen Leere. Und in der westlichen Welt fürchten wir die Leere, weil wir glauben, sie stehe für das Nichts. Doch in der östlichen Philosophie des Dao gilt Leere als das Nützlichste überhaupt – denn eine Tasse ist nur nützlich, weil sie leer ist, und ein Fenster ist nur nützlich, weil es ein Loch in der Wand ist.

Dann folgt ein besonders heikler Abschnitt des Weges – ein Labyrinth, in dem viele Menschen jahrelang verloren gehen: das Aufkommen des spirituellen Egos. Denn, siehst du, das Ego ist der gerissenste Schauspieler der Welt. Und sobald es merkt, dass du entschlossen bist, es loszuwerden, wechselt es einfach sein Kostüm und schlüpft in die Robe eines Heiligen oder Gurus.

Du beginnst, dich als eine ganz besondere Person zu fühlen, weil du ja auf dieser Reise bist. Und du blickst verächtlich auf jene hinab, die fernsehen und Hamburger essen – in dem Glauben, sie seien „schlafend“, während du „erwacht“ seist. Dies verleiht dir ein köstliches Gefühl der Überlegenheit. Doch dieser Zustand ist äußerst gefährlich – denn es ist viel schwerer, das Ego zu erkennen, wenn es sich hinter Taten der Güte und weisen Worten verbirgt, als wenn es einfach gierig oder wütend ist. Du hast die eisernen Ketten gegen goldene getauscht – doch du bist immer noch ein Gefangener, weil du weiterhin das Spiel der Trennung spielst, in dem Glauben, dass es ein "Ich" gibt, das spirituell wird, und ein "die Anderen", die es nicht werden.

Du bist wie ein Mensch, der versucht, Blut mit Blut abzuwaschen – und dabei nur eine Sauerei anrichtet, während er meint, aufzuräumen. Denn das Werkzeug, mit dem du deinen Fortschritt misst, ist genau das, was dich daran hindert, anzukommen.

Wenn dieser subtile Stolz langsam durch die Reibung des Lebens abgetragen wird, kannst du in einen tiefen Zustand der Isolation und Leere eintreten – in dem du dich völlig allein fühlst, selbst inmitten vieler Menschen. Dies ist nicht die Art von Einsamkeit, die nach Freundschaft verlangt, sondern die existenzielle Einsamkeit des Erkennens: Niemand sonst kann dein Leben für dich leben, und all die Rollen, die du spielst – Mutter, Vater, Chef, Angestellter – sind bloß Masken die du trägst, für das kosmische Theater.

Du beginnst, das Spiel der Gesellschaft zu durchschauen – das Jagd nach Geld, Status und Ruhm – und es erscheint dir wie Kinder, die mit Spielzeug spielen. Du fühlst, du kannst dich nicht mehr darauf einlassen. Du bist in der Welt, aber nicht von ihr. Es kann sich anfühlen, als schwebtest du im Weltraum, ohne irgendeine Leine, die dich hält.

Diese Leere ist notwendig – denn du lernst, auf eigenen Füßen zu stehen, ohne dich auf Krücken wie soziale Anerkennung oder kulturelle Konditionierung zu stützen. Du wirst wie die großen, alten Bäume im Wald – einsam und still, ohne etwas zu verlangen, einfach nur im eigenen Wesen existierend.

Dies führt oft zu einer seltsamen, flachen Phase – die wir „Zombie-Phase“ nennen könnten – in der du keinerlei Motivation, Antrieb oder Leidenschaft mehr verspürst. Du hast die Illusionen der Zukunft durchschaut, also hast du keinen Ehrgeiz mehr, irgendetwas zu werden – aber du hast noch nicht die Freude am gegenwärtigen Augenblick gefunden. Also treibst du einfach dahin wie ein Stück Holz auf dem Ozean.

Du machst dir vielleicht Sorgen, du hättest deinen Verstand kaputtgemacht oder seiest depressiv. Doch in Wahrheit ist dies ein Zustand tiefer Ruhe – wie die Winterzeit, in der die Erde brach liegt und tot erscheint. Doch tief unter der Erde sammeln die Wurzeln bereits Kraft für den Frühling. Du wirst umgepolt, um mit einem anderen Kraftstoff zu arbeiten – vom Kraftstoff der Angst und Begierde hin zum Kraftstoff spontaner Aktivität.

Doch während des Übergangs macht der Motor kein Geräusch – und du fühlst dich wie ein Geist. Du bist gleichgültig geworden – nicht, weil dir nichts mehr am Herzen liegt, sondern weil du aufgehört hast, Dinge zu erzwingen. Du hast aufgehört, den Fluss zu stauen, und wartest darauf, dass der Wind deine Segel füllt, statt das Boot zu rudern, bis deine Muskeln schreien.

Und dann, wenn du völlig aufgegeben hast – wenn du jeden Trick und jede Methode erschöpft und deine totale Niederlage eingestanden hast – geschieht die letzte Erkenntnis. Und sie kommt meist mit einem großen kosmischen Lachen.

Plötzlich erkennst du: Die ganze Reise war ein Kreis – und du befindest dich exakt dort, wo du begonnen hast. Doch mit völlig neuem Verständnis. Du siehst: Die Person, die du zu werden versuchtest, existiert nicht – und ebenso wenig existiert die Person, die versuchte, sie zu werden. Es gibt nur dies – diesen Moment, diesen Atem, dieses Gefühl, lebendig zu sein.

Du erkennst, dass du nie verloren warst – du hast nur geträumt, verloren zu sein. Wie jemand, der verzweifelt nach seiner Brille sucht, während sie ihm die ganze Zeit auf der Nase sitzt.

Die Pointe dieses großen Witzes ist: Es gibt kein Ziel. Es gibt keinen Erfolg zu erlangen. Es gibt nur das ewige Spiel des Universums – das alles tut, was du tust.

Du kehrst zurück auf den Marktplatz, wie es die Zen-Meister sagen – und hackst Holz, trägst Wasser. Äußerlich siehst du genauso aus wie alle anderen. Doch innerlich weißt du: Du bist das Holz. Du bist das Universum, das sich selbst erfährt. Und die Angst vor dem Tod sowie das Verlangen nach Beständigkeit verschwinden – denn du erkennst: Du bist die ewige Energie, die sich in einer Billion Formen zeigt. Du bist die Wolke, der Regen, der Fluss, das Meer.

Und das Versteckspiel ist endlich vorbei – denn du hast den gefunden, der sich versteckt hat. Und das warst du, die ganze Zeit."