"Die Kranken sind die größte Gefahr für die Gesunden; nicht von den Stärksten kommt das Unheil für die Starken, sondern von den Schwächsten. Weiß man das?...
Die Krankhaften sind des Menschen große Gefahr: nicht die Bösen, nicht die »Raubtiere«. Die von vornherein Verunglückten, Niedergeworfnen, Zerbrochenen – sie sind es, die Schwächsten
sind es, welche am meisten das Leben unter Menschen unterminieren,
welche unser Vertrauen zum Leben, zum Menschen, zu uns am gefährlichsten
vergiften und in Frage stellen. Wo entginge man ihm, jenem verhängten
Blick, von dem man eine tiefe Traurigkeit mit fortträgt, jenem
zurückgewendeten Blick des Mißgebornen von Anbeginn, der es verrät, wie
ein solcher Mensch zu sich selber spricht – jenem Blick, der ein Seufzer
ist! »Möchte ich irgend jemand anderes sein!« so seufzt dieser Blick:
»aber da ist keine Hoffnung. Ich bin, der ich bin: wie käme ich von mir
selber los? Und doch – habe ich mich satt!«...
Auf solchem Boden der Selbstverachtung, einem eigentlichen Sumpfboden, wächst jedes Unkraut, jedes Giftgewächs, und alles so klein, so versteckt, so unehrlich, so süßlich. Hier wimmeln die Würmer der Rach- und Nachgefühle; hier stinkt die Luft nach Heimlichkeiten und Uneingeständlichkeiten; hier spinnt sich beständig das Netz der bösartigsten Verschwörung – der Verschwörung der Leidenden gegen die Wohlgeratenen und Siegreichen, hier wird der Aspekt des Siegreichen gehaßt...
Der Wille der Kranken, irgendeine Form der Überlegenheit darzustellen, ihr Instinkt für Schleichwege, die zu einer Tyrannei über die Gesunden führen – wo fände er sich nicht, dieser Wille gerade der Schwächsten zur Macht! Das kranke Weib insonderheit: niemand übertrifft es in Raffinements, zu herrschen, zu drücken, zu tyrannisieren. Das kranke Weib schont dazu nichts Lebendiges, nichts Totes, es gräbt die begrabensten Dinge wieder auf (die Bogos sagen: »das Weib ist eine Hyäne«). Man blicke in die Hintergründe jeder Familie, jeder Körperschaft, jedes Gemeinwesens: überall der Kampf der Kranken gegen die Gesunden – ein stiller Kampf zumeist mit kleinen Giftpulvern, mit Nadelstichen, mit tückischem Dulder-Mienenspiele, mitunter aber auch mit jenem Kranken-Pharisäismus der lauten Gebärde, der am liebsten »die edle Entrüstung« spielt...
Das sind alles Menschen des Ressentiment, diese physiologisch
Verunglückten und Wurmstichigen, ein ganzes zitterndes Erdreich
unterirdischer Rache, unerschöpflich, unersättlich in Ausbrüchen gegen
die Glücklichen und ebenso in Maskeraden der Rache, in Vorwänden zur
Rache: wann würden sie eigentlich zu ihrem letzten, feinsten, sublimsten
Triumph der Rache kommen? Dann unzweifelhaft, wenn es ihnen gelänge,
ihr eignes Elend, alles Elend überhaupt den Glücklichen ins Gewissen zu schieben:
so daß diese sich eines Tags ihres Glücks zu schämen begännen und
vielleicht untereinander sich sagten »es ist eine Schande, glücklich zu
sein! es gibt zu viel Elend!«... Aber es könnte gar kein größeres
und verhängnisvolleres Mißverständnis geben, als wenn dergestalt die
Glücklichen, die Wohlgeratenen, die Mächtigen an Leib und Seele
anfingen, an ihrem Recht auf Glück zu zweifeln. Fort mit dieser »verkehrten Welt«! Fort mit dieser schändlichen Verweichlichung des Gefühls!
Daß die Kranken nicht
die Gesunden krank machen – und dies wäre eine solche Verweichlichung
–, das sollte doch der oberste Gesichtspunkt auf Erden sein – dazu aber
gehört vor allen Dingen, daß die Gesunden von den Kranken abgetrennt
bleiben, behütet selbst vor dem Anblick der Kranken, daß sie sich nicht
mit den Kranken verwechseln. Oder wäre es etwa ihre Aufgabe,
Krankenwärter oder Ärzte zu sein?... Aber sie könnten ihre Aufgabe gar nicht schlimmer verkennen und verleugnen – das Höhere soll sich nicht zum Werkzeug des Niedrigeren herabwürdigen, das Pathos der Distanz soll
in alle Ewigkeit auch die Aufgaben auseinanderhalten! Ihr Recht,
dazusein, das Vorrecht der Glocke mit vollem Klange vor der mißtönigen,
zersprungenen, ist ja ein tausendfach größeres: sie allein sind die
Bürgen der Zukunft, sie allein sind verpflichtet für die Menschen-Zukunft.
Was sie können, was sie sollen, das dürften niemals Kranke können und sollen: aber damit sie können, was nur sie
sollen, wie stünde es ihnen noch frei, den Arzt, den Trostbringer, den
»Heiland« der Kranken zu machen?... Und darum gute Luft! gute Luft! und
weg jedenfalls aus der Nähe von allen Irren- und Krankenhäusern der
Kultur! Und darum gute Gesellschaft, unsre Gesellschaft! Oder
Einsamkeit, wenn es sein muß! Aber weg jedenfalls von den üblen Dünsten
der inwendigen Verderbnis und des heimlichen Kranken-Wurmfraßes!...
Damit wir uns selbst nämlich, meine Freunde, wenigstens eine Weile noch
gegen die zwei schlimmsten Seuchen verteidigen, die gerade für uns
aufgespart sein mögen – gegen den großen Ekel am Menschen! gegen das große Mitleid mit dem Menschen!"
(F. Nietzsche - Jenseits von Gut & Böse_Zur Genealogie der Moral _Dritte Abhandlung: Was bedeuten asketische Ideale_14)
Eine ziemlich gute Zusammenfassung der aktuellen "Gesellschaft", denke ich.
Wobei man noch bedenken muß, daß dieses Buch im Jahre 1886 herausgebracht wurde.
Damals gab es nicht annähernd so viele Möglichkeiten wie heute, sich durch eigenes Fehlverhalten zu einem Schwerbehinderten zu machen & dafür noch belohnt zu werden - auf Kosten der Allgemeinheit und vor allem auf Kosten der Gesunden.
"Bezahlt von Ihrer Gesundheitskasse!"
Was Nietzsche wohl gesagt hätte wenn dieser fette Cyborg hier an ihm vorbeigerollt wäre...
Zu seiner Zeit gab es in ganz Deutschland vielleicht auch hier & da solche Mastschweine - aber das waren dann wohl entweder Jahrmarkts-Attraktionen
("Sehen Sie, staunen Sie: Die DICKE Kunigunde!!!")
oder irgendwelche Oberschichts-Monster die sich sowas erlauben konnten
("Je nun, die Prinzessin hat halt schwere Knochen und sie ißt sehr gerne, meiner Treu.").
Heute stellst Du Dich irgendwo an die Straße, wartest ein paar Minuten & schon rollt so ein Vieh an Dir vorbei.
Und anscheinend findet Jeder das absolut normal & in Ordnung.
Diese kaputte Gesellschaft ist überhaupt nicht an der Gesundheit ihrer Mitglieder interessiert.
Dieses kranke System funktioniert überhaupt nur, wenn Kranke in einem ausreichenden Maße vorhanden sind - und weil es immer noch nicht genug sind, die sich zu unförmigen Klumpen gefressen oder ihrem Körper sonstwie einen schwerwiegenden Dauerschaden zugefügt haben, werden mittlerweile sogar symptomfreie Gesunde kurzerhand zu Kranken erklärt & am Besten noch zwangsweise behandelt.
Eine richtige, echte, tödliche Seuche mit einer mindestens 90prozentigen Letalität wäre ein Segen & vielleicht die letzte Chance für das Überleben des Homo sapiens, bevor alles den Bach runtergeht.
Die Frage ist, ob dieses Überleben überhaupt wünschens- & erstrebenswert ist.
The Voluntary Human Extinction Movement
Quelle: https://beruhmte-zitate.de/zitate/1224346-friedrich-nietzsche-der-wille-der-kranken-irgendeine-form-der-uberleg/
Quelle: https://beruhmte-zitate.de/zitate/1224346-friedrich-nietzsche-der-wille-der-kranken-irgendeine-form-der-uberleg/
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